Rekonstruktionen / Repliken von archäologischen Funden vom Dürrnberg bei Hallein

Verfasser: Johannes Haidn

1 Vorbemerkungen

Eine hochwertige und damit auch glaubwürdige historische Darstellung beruht auf einer archäologisch und/oder historisch gesicherten Materialbasis, d.h. der Sachkultur der betreffenden Epoche. Die Herstellung von historischen Replikaten sollte immer auf genauen Vorlagen (Fundzeichnungen, evtl. Photos) basieren. In etlichen Fällen kann auch eine teilweise Ergänzung/Rekonstruktion von am Original nicht mehr erhaltenen Partien notwendig sein.

Grundsätzlich muss klar sein: Jede noch so gute, d.h. möglichst detailgetreue Replik kann immer nur ein Annäherungsversuch, eine Reminiszenz an das Echte, das historische Originals sein!

Wir sind heute in jeglicher Hinsicht zu weit weg. Wir können nur noch das verwendete Material bestimmen, sagen, welche Arbeitstechnik angewandt wurde und schließen – zwangsläufig – von der Form auf die Funktion. Alles was tiefer liegt, die Idee, die Intention, die hinter dem Auftrag und schließlich dem angefertigten Objekt stand, ist uns nicht (mehr) zugänglich. Dadurch fehlt gerade für Gegenstände, wie etwa denen, die dem rituell-sakralen Bereich zuzuordnen sind, das tiefere – und damit entscheidende – Verständnis.

Nun zur Anfertigung selbst: Grundsätzlich gilt, dass damals der Faktor Zeit – ganz im Gegensatz zu heute – kaum eine Rolle gespielt haben dürfte. Das Hauptproblem war das Material! Das gilt für die Materialbeschaffung gleichermaßen wie für die Materialbearbeitung.

Im Gegensatz zur Antike bekommen wir heute hochreine und gemäß Industrienormen optimal legierte Materialen – wie z.B. Bronze. Damit haben wir allein schon einen erheblichen Materialunterschied. Und auch eine deutliche Arbeitserschwernis, denn antike Bronzematerialien waren aufgrund mannigfacher „Verunreinigungen“ durch Antimon, Arsen, Blei etc. deutlich weicher bzw. geschmeidiger und von daher leichter zu bearbeiten – wie etwa zu biegen, zu treiben, zu punzieren.

Naturgemäß ist auch die Bearbeitungsmethode/-technik heute oftmals eine ganz andere als damals: es werden neben den traditionellen Werkzeugen wie Hammer, Zange, Stichel, Punziereisen, Feile auch moderne Geräte wie Winkelschleifer, Bohrmaschine, Fräse, Drehbank, Elektrosäge etc. verwendet, was in erster Linie dem Faktor Zeit geschuldet ist.

Bezeichnend ist auch, dass uns in einigen Bereichen – z.B. bei der Keramikherstellung – damals angewandte Techniken nicht mehr zugänglich sind. Hier helfen dann nur oftmals langwierige Experimente. Doch auch diese führen nicht immer zum Ziel, Vieles liegt – und bleibt – im Dunkel der vergangenen Zeiten!

2 Stangengliederkette

Aus dem Süddeutschen Raum sind einige Gürtel bekannt geworden, die aus sog. Stangengliedern bestehen.

Am Dürrnberg tauchten mehrfach in Frauengräbern solche Stücke auf, allerdings mit der Besonderheit, dass sie hier in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht als Gürtel sondern als Halsschmuck getragen wurden. Die Anzahl der Stangenglieder beträgt meistens sieben Stück.

Als Vorlage für unsere Replik diente das Grab Nr. 322/1998 (adulte Frau). Das gesamte Trachtzubehör aus Bronze umfasste 18 Stücke, davon 10 Fibeln!

Nachdem nur drei Bronzeringelchen zur Verbindung der Stangenglieder beim Originalfund gesichert sind, ist zu vermuten, dass die übrigen Glieder mit organischem Material (z.B. Lederschnur) miteinander verbunden waren. Länge eines Stangengliedes: rd. 11 cm, Datierung: 400 – 350 v.u.Zt.

Repliken-Ensemble: Stangengliederkette, ferner: Augenperlen, Kästchenbeschlag- Gürtelhaken (links), weitere Gürtelhaken

3 Augenperlen

Bunte Glasperlen mit aufgeschmolzenen, zweifarbigen „Augen“ waren bei den Kelten allgemein sehr beliebt (aber auch bei allen anderen Völkern der antiken Welt).

Vom Dürrnberg stammt eine Fülle von Glasperlen-Funden. Die Formen sind variabel: es gibt zylindrisch/walzenförmige Perlen mit bis zu vier Augenpaaren, kugelförmige mit vier Augen und flach-scheibenförmige mit markant aufgesetzten Augen. Dieser Perlengattung darf neben dem allgemeinen Schmuckcharakter wohl in besonderer Weise apotrophäischer, d.h. unheilabwehrender Charakter zugeschrieben werden. Die unten gezeigten Perlen kommen u.a. im Frauengrab Nr. 71/2 in dieser Größe und Ausführung vor. Größen: 10 mm – 40 mm, Datierung (für den Dürrnberg!): 7. – 3. Jh.v. u.Zt.

Augenperlen

4 Glasperlenkollier einer jungen Frau

Eine außergewöhnlich reiche Bestattung mit über 50 Teilen, davon viele exzeptionelle Beigaben, enthielt das Grab einer sehr jungen Frau bzw. Mädchens. Das Grab mit der Nr. 71/2 wird in LT A (5. Jh. v.u.Zt.) datiert. Neben vielen Fibeln, Armreifen, drei Halsketten und 2 weiteren Spangenkolliers enthielt es die hier vorgestellte Bronzespange mit 7 darauf aufgeschobenen Glasperlen, davon 6 Augenperlen und eine tiefblaue Melonenperle sowie drei metallene Ringelchen (das Foto zeigt die Replik mit nur 1 Ringelchen!). Bei diesem Stück kommt der mutmaßliche Amulettcharakter der Augen-/blauen Melonenperlen besonders gut zum Ausdruck.

Maße: Dm des Halsreifens rd. 15 cm; Größe der mittleren Perle beim Original: 18 x 24 mm.

Replik eines Kolliers mit 7 Glasperlen auf Bronzereifen aus Grab 71/2

5 Kästchenbeschlag-Gürtelhaken einer Frau

Aus dem gleichen Ensemble (Grab Nr. 322) wie die Stangenliederkette stammt auch die Rekonstruktionsvorlage dieses Gürtelhakens. Er besteht aus einem Kästchenbeschlag aus dünnem Bronze- bzw. Messingblech und hat einen Haken untergenietet, wobei der Niet exzentrisch angebracht ist.
Datierung: 400 – 350 v.u.Zt.

Gürtelhaken aus Grab 322

6 Gürtelhaken aus Frauengrab

Ein weiterer, etwas größerer und aufwendigerer Gürtelhaken stammt aus Grab 312 (unpubliziert). Der Haken selbst besteht aus massiver Bronze bzw. in der Rekonstruktion aus Messing. Er ist mit einem Niet am Blechkörper befestigt. Der zweite Niet klemmt das Gürtelleder fest in den umlaufenden Blechbeschlag. GesLänge: rd. 8,5 cm. Datierung: um 400 v.u.Zt.

Gürtelhaken aus Frauengrab

7 Webstuhlgewichte

Webstuhlgewichte tauchen sehr häufig als typische Siedlungsfunde auf, so auch auf dem Dürrnberg. Eine weit verbreitete und in vielen Kulturen über die Jahrhunderte hinweg gebräuchliche Form ist die stumpf-pyramidale. Daneben gibt es auch kegelförmige und aber auch flachere, scheibenförmige Objekte vor. Die Gewichte sind aus Lehm geformt und gebrannt. Höhe: ca. 4, 8 und 10 cm.

Webstuhlgewichte

8 Große Mantelfibel aus Eisen

Diese elegante Fibel diente einem Mann zum verschließen seines Umhangs (unpublizierte Grabbeigabe), FO: im Bereich des heutigen Museums-Keltendorfes, Länge: 8,5 cm, Datierung: 5./4. Jh. v.u.Zt.

Große Mantelfibel aus Eisen

9 Blattförmige Lanzenspitze

Blattförmige Lanzenspitzen waren in allen Teilen der keltischen Welt verbreitet. Diese besonders ausgeprägte Form einer blattförmigen Lanzenspitze vom Dürrnberg ist 35 cm lang und in der Blattmitte 8,5 cm breit. Datierung: 5./4. Jh. v.u.Zt.

Blattförmige Lanzenspitze

10 Kleiner eiserner Gürtelhaken aus Frauengrab Nr. 310

Dieser zierliche Gürtelhaken mit großem Scheibenniet ist aus Eisen. Er war Bestandteil eines Trachtensembles einer Frau, das über ein Dutzend Teile umfasst. Länge: 5 cm, Dm des Eisenniets: 20 mm, Datierung: um 400 v.u.Zt.

Kleiner eiserner Gürtelhaken aus Frauengrab Nr. 310

11 Gürtel mit drei Eisenringen und einem bandförmigen, leicht triangulären Haken

Dieser für den Dürrnberg in vielen Exemplaren belegte Gürtel besteht aus einem einfachen, unverzierten bandförmigen, leicht triangulären Gürtelhaken, dem dazugehörigen Gegenstück – einem einfachen Eisenring –, sowie zwei weiteren Eisenringen. Diese dienen der Weitenverstellung des Gürtels – und optional zur Befestigung eines Schwertes. Länge des Gürtelhakens: 6 cm, Ringdurchmesser: 4,5 cm, Datierung: 5. – 3. Jh. v.u.Zt.

Gürtel mit drei Eisenringen

und bandförmigem, leicht triangulären Haken

12 Weitere Gürtelhaken der Kelten vom Dürrnberg

12.1 Kleiner Gürtelhaken

Datierung: LT A
Streufund, FO: Hexenwandwiese, FJahr: ?
Beschreibung: Maße: 4 x 3,5 cm (L x B), 2 mm dünnes, flaches Eisenblech; kleiner entenschnabelartiger Haken; Reste von 2 Nietstiften.

kleiner Gürtelhaken

12.2 Pfeilförmiger Gürtelhaken

Datierung: LT A
Streufund, FO: Simonbauernfeld, FJahr: 1987
Beschreibung: Maße: 10,5 x 4,8 cm (L x B), 2 – 3 mm starkes Eisenblech, 1 Nietloch; sehr auffällige Formgebung.

pfeilförmiger Haken

12.3 Großer, gebogener Gürtelhaken

Datierung: LT A
Streufund, FO: Im Bereich der Hexenwand, FJahr: 1991
Beschreibung: Maße (des rekonstruierten Hakens): 10,8 x 5,2 cm (L x B) aus 2 – 3 mm starkem Eisenblech; im Bereich des Beschlagteils starke Korrosion mit Substanzverlust. Im Profil auffällig gebogener Hakenkörper (sekundär verbogen ?). Aus der Rekonstruktion der ursprünglichen Randbereiche ergibt sich ein kegelstumpfartiger Beschlagplattenbereich mit 2 Nietlöchern.

großer gebogener Gürtelhaken (mit mutmaßlicher Rekonstruktion der ursprünglichen Form + zwei Nietlöchern)

12.4 Bandförmiger Gürtelhaken

Datierung: LT A/B
FO: Dürrnberg Grab 19
Beschreibung: Maße: 5,2 x 0,5 cm (L x B im Mittel) Dm des Niets: 12 mm; zierlicher, bandförmiger Gürtelhaken aus Eisen als Bestandteil eines insgesamt 20 Teile umfassenden Grabinventars einer Frau. Auffällig sind der große, kugelige Eisenniet und die an einer Seite des Hakens angebrachten 6 Kerbstriche.

Fundzeichnung des zierlichen bandförmigen Gürtelhakens (in der oberen Ansicht ist am Kugelkopfniet ein organischer Rest des Gürtelriemens erkennbar!)

12.5 Bemerkungen zu Gürteln und Gürtelhaken vom Dürrnberg

Die Funde und Befunde aus den diversen archäologischen Grabungen vom Dürrnberg zeigen, daß die Gürtel nicht nur aus Leder bestanden, sondern auch ein- oder beidseitig mit Stoff überzogen bzw. zumindest teilweise mit Stoff oder Garn gefaßt/bestickt waren.

Ein weit verbreiteter Typus der Zeitphasen LT A, besonders aber in LT B – C ist der schlichte bandförmige Gürtelhaken aus Bronze oder Eisen, der von Männern und Frauen getragen wurde.

Für die Zurverfügungstellung der Vorlagen (vor allem der unpublizierten Nr. 5 u. 7) sowie den vielen spezifischen Informationen danken wir Hrn. Museumsdirektor Mag. Kurt W. Zeller, Keltenmuseum Hallein (KMH), recht herzlich.

Der Verfasser ist außerdem Fr. Dr. Holzner vom KMH für anregende Diskussionen, die freundlichen Auskünfte sowie die Möglichkeit, die Gürtelhaken 1:1 abzuzeichnen, zu großem Dank verpflichtet. Die Gürtelhaken 11.1 – 3 sind noch unpubliziert, Haken 11.4 ist in der Reihe „Der Dürrnberg bei Hallein“ veröffentlicht.

Die blattförmige Lanzenspitze und die große Mantelfibel aus Eisen wurden von Jürgen „Schorsch“ Graßler, Rodinger Str. 4, 93192 Wald, halfthyr@lycos.de für uns geschmiedet.

Die Glasperlen fertigte Oliver von der Fa. Numisart, München für uns.

Alle anderen Repliken fertigte Johannes Haidn an.

  • L. Pauli, E. Penninger u.a.: Der Dürrnberg bei Hallein Bd. e I – IV, München 1972 ff.
  • Kurt W. Zeller: Die „Nordgruppe“ – ein latènezeitliches Gräberfeld am Fuße des Putzenkopfes am Dürrnberg bei Hallein (Sonderdruck aus: Fundberichte aus Österreich Bd. 42/2003, Wien 2004)